Kolloquium zur Polizeigeschichte

CfP 33. Kolloquium zur Polizeigeschichte, Dresden, 04.-06.07.2024

Veranstalter
Die Kolloquien zur Polizeigeschichte (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Technischen Universität Dresden)
Ausrichter
Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Technischen Universität Dresden
PLZ
01062
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
04.07.2024 - 06.07.2024
Deadline
15.02.2024
Von
Thomas Lindenberger, -, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e. V. an der TU Dresden

Kolloquium zur Polizeigeschichte

"Nothilfe, Fürsorge, Krisenmanagement und Gewaltmonopol: Das Polizieren von Ausnahmezuständen und die Institutionalisierung öffentlicher Ordnungen von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart" lautet das Thema für das 33. Kolloquium für Polizeigeschichte vom 4.-6. Juli 2024 in Dresden

Colloquium on the History of Policing

"Emergency aid, welfare, crisis management and the state’s monopoly on the use of force: the policing of states of emergency and the institutionalization of public order from the early modern times to the present" will be the topic of the 33rd Colloquium on the History of Policing, in Dresden from 4 to 6 July 2024

CfP 33. Kolloquium zur Polizeigeschichte, Dresden, 04.-06.07.2024

Nothilfe, Fürsorge, Krisenmanagement und Gewaltmonopol: Das Polizieren von Ausnahmezuständen und die Institutionalisierung öffentlicher Ordnungen von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart

Das Kolloquium zur Polizeigeschichte trifft sich seit 1990 einmal jährlich und stellt ein interdisziplinäres Diskussionsforum für neuere polizeihistorische Forschungen dar. Wesentliches Ziel des Kolloquiums ist es, insbesondere jüngeren Wissenschaftler:innen die Möglichkeit zu bieten, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. Das 33. Kolloquium zur Polizeigeschichte findet vom 4. bis 6. Juli 2024 an der Technischen Universität Dresden statt. Veranstaltet wird die Tagung vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden und dem Institut für Geschichte der TU Dresden.

Ersthelfer, die beim Eintreffen am Unfallort von Schaulustigen behindert und angegriffen werden, Feuerwehrkräfte, die beim Eintreffen am Einsatzort ein Bombardement mit Flaschen und Pyrotechnik erwartet, aber auch Polizistinnen, die, wegen einer banalen Ruhestörung herbeigerufen, ohne Weiteres physisch angegriffen werden – immer häufiger berichten die Betroffenen selbst, aber auch die Medien von derartigen Ereignissen. Hier stellen biedere „Normalbürger“ und „-bürgerinnen“ ihre Missachtung von Zuständigkeiten und Kompetenzen von Mitmenschen und Institutionen zur Schau, auf deren Einsatz das Gemeinwesen angewiesen ist und die stetig zur praktischen Legitimierung des modernen Sozialstaats beitragen. Gleichzeitig werden polizeiliche Gewaltpraktiken im Kontext von Rassismus und politischer Parteinahme kritisch diskutiert.

Vor dem Hintergrund solcher Beobachtungen in der Gegenwart widmet sich das 33. Kolloquium zur Polizeigeschichte dem Thema „Nothilfe, Fürsorge, Krisenmanagement und Gewaltmonopol: Das Polizieren von Ausnahmezuständen und die Institutionalisierung öffentlicher Ordnungen von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart“.

Die Entwicklung westeuropäischer Polizeien zu den uns heute so selbstverständlichen „öffentlichen Anstalten“ moderner Staaten gründete von Beginn an auf der doppelten Aufgabe der Herrschaft über Subjekte und der Aufrechterhaltung sicherer Zustände im Innern. In der Frühen Neuzeit war die Wahrnehmung dieser Aufgaben jenseits der eigenmächtigen ‚selbsthülfe‘ über ein weitverzweigtes Geflecht lokaler Ämter und landesherrlicher Gewalten verteilt. In einem langen Übergangsprozess der institutionalisierten Stabilisierung von Ordnungsansprüchen etablierten sich in Europa schließlich auf das Monopol staatlicher Gewalt gegründete Exekutivorgane. Sie führten beides, Exekutive politische Herrschaft und auf die öffentliche Sicherheit ausgerichtete Gefahrenabwehr, zusammen und integrierten darin auch neue Traditionen der ‚bürgerlichen‘ Selbsthilfe auf der Grundlage von Freiwilligkeit und Ehrenamt.

In Situationen existenzbedrohender Gefahren erweist sich die Unverzichtbarkeit gemeinsamen Handelns. Es gilt, die akut gegebene Not zu wenden, Mitmenschen in Not Sorge angedeihen zu lassen, im Extremfall auch die Lebensfähigkeit des Gemeinwesens insgesamt zu sichern. Erforderlich sind dabei die Mobilisierung und Konzentration außerordentlicher logistischer wie auch sozialer Ressourcen. Das ist nur durch koordiniertes und zugleich autoritativ geleitetes Zusammenwirken zu bewerkstelligen. Vorübergehend sind Routinen, Privilegien und Gewohnheitsrechte außer Kraft zu setzen. Zugleich ermöglichen diese Situationen und „Lagen“ verschiedenen Akteuren, spezifische Ordnungspraktiken zu kommunizieren und daraus Normen und Geltungsansprüche einer ‚guten Polizey‘ abzuleiten, die über den Horizont des Ausnahmezustandes hinausweisen.

Historische und sozialwissenschaftliche Untersuchungen über die Bedeutung von „Ausnahmezuständen“ stellen bisher weit überwiegend die Wiederherstellung der Sicherheit politischer Ordnungen und (Vor-)Rechte in den Mittelpunkt: Das Versprechen von „Ruhe und Ordnung“ war in politischen Ausnahmezuständen immer wieder entscheidend für die (Re)Legitimierung staatlicher Gewalt, gleich ob demokratische oder autokratische Ordnungen dies für sich in Anspruch nahmen und noch immer nehmen.

Im Gegensatz dazu werden auf dem 33. Kolloquium zur Polizeigeschichte die Bewältigung der hier in aller Vorläufigkeit als „nicht-politische“ bezeichnete Notlagen und Ausnahmezuständen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Ob es sich um Hungersnöte, Brand- und Flutwasserkatastrophen, Epidemien und Ungezieferplagen, Industrieunfälle und Umweltkatastrophen, oder auch um alltägliche, unmittelbares Eingreifen erfordernde, Unfälle und Notsituationen handelt – immer waren und sind in diesem Geschehen Not-Helfer und -Helferinnen aktiv. Sie berufen sich dabei auf einen öffentlichen Auftrag, ein Amt, eine Befugnis, was in der Regel auch von den Hilfsbedürftigen akzeptiert wird. Zugleich kommunizieren diese Geltungsansprüche die Sinnhaftigkeit institutionalisierter Normen und Ordnungen. Welche Bedeutung hatten und haben Praktiken dieser Not-Hilfe für die Etablierung des modernen, verfassungsrechtlich eingehegten staatlichen Gewaltmonopols und ihrer im Alltag bedeutendsten Repräsentantin, der öffentlichen Polizei? Trugen sie zu ihrer Legitimität und Stabilisierung bei, und wenn ja, wie? Und waren solche Entwicklungen für Europa spezifisch bzw. welche Rolle spielten und spielen Praktiken der kollektiven Nothilfe in außereuropäischen Gesellschaften?

Wir suchen für das 33. Kolloquium für Polizeigeschichte Beiträge, die – für die Frühe Neuzeit, das 19. und 20. Jahrhundert oder die jüngste Gegenwart oder auch in einer longue-durée-Perspektive – verschiedenen Aspekten der Entwicklung von Polizei, Sicherheit und moderner Staatlichkeit gewidmet sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!):
- Szenarien des Polizierens von Notlagen und Krisen
- Freiwilligkeit und Altruismus, Seelsorge und psychologische Betreuung: Die emotionsgeschichtliche Komponente von Not-Hilfe, Fürsorge und Krisenmanagement
- Ausnahmezustände und (konkurrierende) Kommunikationen gesellschaftlicher Bedrohungslagen und ihre Bedeutung für die Institutionalisierung von Ordnungsansprüchen
- Nothilfe, Fürsorge und Krisenmanagement und die lange Herausbildung des modernen, „negativen“ Polizeibegriffs (Gefahrenabwehr)
- Autokratie vs. Demokratie: Wirkungen des politischen Systems auf das Polizieren von Notlagen und Katastrophen
- „nicht-politische“ Notlagen (Epidemien, Naturkatastrophen, Versorgungskrisen) und ihre Wechselwirkungen mit politischen Ausnahmezuständen
- Bürgerlicher „Eigen-Sinn“ oder nihilistische Staatsverneinung? Konfigurationen der invektiven Negation öffentlicher Sicherheits- und Hilfeleistungen

Wir freuen uns über Beiträge aus der frühneuzeitlichen bis zur Gegenwartsgeschichte. Höchst erwünscht sind Beiträge zur Geschichte nicht-deutschsprachiger und nicht-europäischer Regionen und Länder sowie auch aus Nachbardisziplinen.

Die Beiträge werden als mündliche Vorträge von 20 Minuten Dauer präsentiert, sehr gerne mit Einsatz von Powerpoint und Medienbeispielen. Bei der Zusammenstellung des Programms wird empirisch argumentierenden und quellengestütztem Fallstudien gegenüber allgemein-konzeptionell gehaltenen Erörterungen und reinen Projektvorstellungen der Vorzug gegeben. Promovierende und Postdocs werden ausdrücklich ermuntert, aus ihren laufenden Vorhaben zu berichten.

Neben den Themensektionen ist wie immer auch eine offene Sektion vorgesehen, in der aktuelle Forschungsergebnisse zur Polizeigeschichte vorgestellt werden können.

Bitte senden Sie Ihren Vorschlag (maximal 3.000 Zeichen einschl. Leerzeichen) in deutscher oder englischer Sprache zuzüglich Kurz-CV und ggf. einem Verzeichnis mit maximal 5 einschlägigen Publikationen bis spätestens 15. Februar 2024 an die Adresse KPG2024@tu-dresden.de . Reise- und Übernachtungskosten für Referentinnen und Referenten werden aller Voraussicht nach vom HAIT e.V. bzw. der Professur für Totalitarismusforschung an der TU Dresden übernommen.

https://polizeigeschichte-kolloquium.eu/

CfP 33rd Colloquium on Police History, 04-06 July 2024 Dresden

Emergency aid, welfare, crisis management and the state’s monopoly on the use of force: the po-licing of states of emergency and the institutionalization of public order from the early modern times to the present

The Colloquium on Police History (Kolloquium für Polizeigeschichte) has met annually since 1990 and provides an interdisciplinary discussion forum for innovative research into the history of polic-ing. The main aim of the colloquium is to offer younger academics in particular the opportunity to present and discuss their research findings. The 33rd Colloquium on Police History will take place from 4 to 6 July 2024 at the Technische Universität Dresden, Germany. The conference is organized by the Hannah Arendt Institute for Totalitarianism Studies at TU Dresden and the Institute of Histo-ry of TU Dresden.

First responders who are obstructed and attacked by onlookers when they arrive at the scene of an accident, firefighters who are met with a bombardment of bottles and pyrotechnics when they ar-rive at the scene, but also police officers who are called out for a banal disturbance and are physically attacked without further ado - more and more frequently, the victims themselves, but also the media, are reporting such incidents. This is where respectable "normal citizens" flaunt their disregard for the responsibilities and competences of their fellow citizens and institutions, on whose commitments the community depends and who constantly contribute to the practical legitimization of the modern welfare state. At the same time, police practices of violence are critically discussed in the context of racism and political partisanship.

Against the background of such observations in the present, the 33rd Colloquium on Police History is dedicated to the topic of "Emergency aid, welfare, crisis management and the monopoly of the use of force: the policing of states of emergency and the institutionalization of public order from early modern times to the present ".

The development of Western European police forces into the 'public institutions' of modern states that we take for granted today was based from the outset on the dual task of ruling over subjects and maintaining security and safety in society. Besides instances of autonomous 'self-help', the fulfilment of these tasks was in the early modern period distributed across a widely ramified network of local offices and sovereign powers. In Europe, it took a long process of transition to institutionalize and stabilize demands for order, and to finally establish executive bodies based on the state monopoly of the use of force. They combined both executive political rule and public safety-oriented hazard prevention while integrating new traditions of 'civic' self-help based on voluntarism and voluntary work.

In situations of existential danger, the indispensability of joint action becomes apparent. The acute emergency must be averted, people in need must be cared for and, in extreme cases, the viability of the community as a whole must be ensured. This requires the swift mobilization and concentration of extraordinary logistical and social resources under coordinated and authoritative leadership. Routines, privileges and customary rights must be temporarily suspended. At the same time, these situations enable various actors to communicate specific practices of order and to derive norms and claims of a "good police " (“gute Polizey”) transcending the mere state of exception.

Historical and social science studies on the significance of "states of exception" have so far largely focused on restoring the security of political orders and specific privileges: the promise of "peace and order" has always been decisive for processes of (re)legitimizing state power in political states of exception, regardless of whether such claims have been and still are being made by democratic or autocratic polities.

By contrast, the 33rd Colloquium on Police History will focus on the management of emergencies and exceptional circumstances, which are provisionally referred to here as "non-political". Whether famines, fire and flood disasters, epidemics and plagues of vermin, industrial accidents and environmental catastrophes, or everyday accidents and emergencies requiring immediate intervention - emergency helpers were and are always active in these events. In doing so, they invoke a public mandate, an office, an authority, which is generally accepted by those in need of help. At the same time, these claims communicate the meaningfulness of institutionalized norms and orders. What significance did and do practices of this emergency aid have for the establishment of the modern, constitutionally contained state monopoly on the use of force and its most important representative in everyday life, the public police? Did they contribute to their legitimacy and stabilization, and if so, how? And were such developments specific to Europe or what role did and do practices of collective emergency aid play in non-European societies?

For the 33rd Colloquium on Police History, we are looking for contributions that are dedicated to various aspects of the development of police, security and modern statehood - for the early modern period, the 19th and 20th centuries or the recent present or also in a longue durée perspective (without any claim to completeness!):
- Scenarios of policing emergencies and crises
- Voluntariness and altruism, pastoral care and psychological counselling: The emotional dimension in the history of emergency aid, welfare and crisis management
- States of emergency and (competing) modes to communicate social threats and their significance for the institutionalization of claims to order
- Emergency aid, welfare and crisis management and the long development of the modern, "nega-tive" concept of policing (emergency response – “Gefahrenabwehr”)
- Autocracy vs. democracy: effects of the political system on the policing of emergencies and disasters
- "Non-political" emergencies (epidemics, natural disasters, supply crises) and their interactions with political states of emergency
- Civic "self-sense" or nihilistic negation of the state? Configurations of the invective negation of public security and aid services

We welcome contributions from early modern to the history of the present. Contributions on the history of non-German-speaking and non-European regions and countries as well as from disciplines others than history are highly welcome.

The contributions will be presented as 20-minute oral presentations, in German or English, preferably with the use of PowerPoint and media examples. When compiling the program, preference will be given to empirically argued and source-based case studies rather than general conceptual discussions and pure project presentations. PhD students and postdocs are expressly encouraged to report on their current projects.

As always, in addition to the thematic sections, there will also be an open section in which current research findings on police history can be presented.

Please send your proposal (maximum 3,000 characters including spaces) in German or English plus a short CV and, if applicable, a list of a maximum of 5 relevant publications to KPG2024@tu-dresden.de by 15 February 2024 at the latest. Travel and accommodation costs for speakers will most likely be covered by HAIT e.V. or the Chair of Totalitarianism Studies at TU Dresden.

Kontakt

Thomas Lindenberger, Malte Wenk
KPG2024@tu-dresden.de

https://polizeigeschichte-kolloquium.eu/Das_Polizeigeschichtekolloquium